Seit mehreren Monaten liegt das Service-Kit für die Federgabel im Keller, während letztere immer weniger ihre Arbeit verrichtet – nach gut 4 Jahren und 5900km ohne tiefgreifende Pflege kein Wunder. Es ist höchste Zeit, sich erstmals im Selbstversuch darüber zu trauen, das Teil zu servisieren. Krankheitsbedingt fällt das Training ohnehin aus, also die Zeit sinnvoll nutzen.
Zwecks Wartung ist ein Set mit Dichtungsringen und Gabelöl (wt5/wt15) notwendig.
WLAN im Keller erleichtert die Arbeiten dank Youtube, Google und online – Zugriff auf die Serviceanleitungen.
Die Gabel ist in Arbeitshöhe am Montageständer befestigt, jetzt kanns los gehen!
Im Gegensatz zum Youtube – Vid ist meine Gabel ein Modell 2010 im Hollow Bottom Design. Das bedeutet, dass das Tauchrohr über das untere Luftventil bzw. den Rebound-Knopf auf der Dämpfer-Seite verlängert ist. Eine gute Idee zum Schutz der jeweiligen Teile, aber …
… zur Demontage des Tauchrohrs ist ein „10mm long socket wrench“ erforderlich, zu deutsch ein 10mm Rohrschlüssel – wie ich zwischenzeitlich gelernt habe, der sich jedoch leider nicht in meiner Werkzeugsammlung befindet. Keine Chance, da mit irgend etwas anderem hinein zu kommen!
Schließlich sehe ich vor meinem geistigen Auge so ein Teil in der alten Werkstatt meines Großvaters liegen, vielleicht hat er mir aus dem Jenseits diesen Gedanken geschickt! So mach ich mich auf den Weg, um meiner Großmutter einen Besuch abzustatten und mich dort wieder einmal um zusehen.
Die Garage an sich ist schon sehenswert, ein Teil des Werkzeugs sowie die Werkbank ist schon bei mir im Keller. Nun vererben sich auch die historischen Rohrschlüssel über zwei Generationen weiter.
Leider ist der passende 10mm – Schlüssel nicht Rohr genug, d.h., der innere Durchmesser zu gering für die Stärke eines Auto-Ventils.
Merke: Sonntag ist ein schlechter Tag, um ein neues Projekt zu beginnen – denn da haben alle Baumärkte geschlossen, sollte einem etwas fehlen.
Mittlerer Weile ist das passende Werkzeug besorgt, zur Sicherheit auch gleich eine Sprengring – Zange, sollte sich die ebenfalls aus dem Erbe stammende Sicherungsringzange als unzureichend erweisen (wahrscheinlich wäre die aber handlicher gewesen, als dieses 5€-Wunderding…). Jedenfalls kann es nun weiter gehen.
Unter der Gabel wird in professioneller Manier eine Ölwanne aufgestellt …
… die ich beim Ruck, der zum Abziehen des Tauchrohrs erforderlich ist, weniger professionell mit dem Fuß zur Seite stoße.
Jedenfalls quillt da eine ziemlich unansehliche Flüssigkeit heraus, eine Mischung aus Schmutz und Schmieröl. Praktisch, dass der Küchenrollenvorrat gleich nebenan gelagert wird.
Nun zum Innenleben
Die Staubdichtungen sind noch so halbwegs in Takt, die darunter liegenden Schaumstoffringe allerdings trocken und vom Dreck verklebt.
Der Kolben im Dämpfer macht einen tadellosen Eindruck.
Ebenso die Motion Control Einheit, auch das Dämpferöl schaut noch gut aus.
Die Innereien der SID werden auseinander genommen zwecks Reinigung und Dichtungstausch. Ein Vergleich mit dem erstandenen Dichtungs-Set zeigt, dass das kleine Locherl im Sackerl kein Transportschaden war sondern sich die Gauner in der Serviceabteilung beim Händler da schon bedient haben.
So verstreicht ein weiteres Wochenende wegen der Nachbestellung – natürlich bei einem anderen Dealer.
Praktisch, wenn man noch ein zweites MTB besitzt, allerdings müssen hier erst die Tubeless – Patschen wieder flott gemacht werden, was ein Umräumen der Arbeitsplatte erfordert. Ich bin zwar noch immer verkühlt, eine kleine Runde mit den Kids am ersten Frühlingswochenende muss aber drin sein, mit würdigem Abschluss.
Endlich geht es einenhalb Wochen nach Beginn der für einen Sonntag angesetzten Aktion wieder weiter – Ersatzteile sind nun in Überzahl vorhanden.
Jetzt ist es wiederum ob der Vielzahl an Dichtungen gar nicht mehr so einfach, die passenden an die richtige Stelle zu bringen, zumal sich wegen der Umräum-Aktion auch noch ein kleines Durcheinander an O-Ringerln eingestellt hat.
Gut gefettet (hoffentlich mit dem richten Fett, das wurde mir im Plastiksackerl von der oben beschriebenen Werkstatt-Crew als Draufgabe gegeben) wird der Dämpfer mit den hoffentlich korrekten Dichtungen wieder eingebaut.
Beim Dämpfer-Einbau hilft mir ein Überbleibsel aus längst vergangenen Tagen zum Abmessen der Ölmenge:
Schließlich gelingt auch dieser Zusammenbau, das Gabelöl rinnt auch unten nicht heraus, folglich sind die Dichtungen nicht so falsch verbaut.
Trotz des Verzichts auf Isoprophyl-Alkohol zur Reinigung habe ich die Tauchrohre innen so halbwegs sauber bekommen (ein bisserl WD40 wurde statt dessen hinein gesprüht).
Zwischenzeitlich wurde auch tatsächlich gegrillt, hier handelt es sich aber trotzdem nicht um Tintenfisch-Arme am Grill sonder Schaumstoff-Schmutzabweiser in Gabelöl.
Zum Hineindrücken der Staubdichtungen gibt es ein eigenes Werkzeug – geht aber auch ohne, ist hald ein wenig eine Spielerrei mit einigem Kraftaufwand in den Fingern.
Zu guter Letzt muss das Teil zusammen gesteckt werden. Beim Hollow Bottom Design wird das Gabelöl oben eingefügt, und zwar vor Zusammenbau (horizontale Montage erforderlich). Das ist ein wenig unpraktisch, aber geht auch. Alternativ könnte man eine Spritze mit einem Schlauch vorne drauf verwenden, wer’s hat.
Schließlich ist alles fertig, die Gabel funktioniert nach ersten Test im Keller und es scheint auch alles dicht zu sein. Das endgültige Setup muss ob der wieder stärker werdenden Erkältung leider noch warten.
Lessons learned
- Notwendiges Werkzeug check oder sowas nicht am Sonntag angehen.
- Standrohr ausbauen, Staubdichtungen und Schaumstoff-Ringe ersetzten sollte eigentlich reichen. Innen drinnen – also Motion Control und Dämpfer-Einheit – hat alles noch ganz gut ausgesehen.
- Reinigung mit Isoprphyl – Alkohol ist eventuell doch – zumindest teilweise – ratsam: Das Ganze entwickelt sich schnell zu einer schmierigen Angelegenheit, die Tasten meines Notebooks glänzen ebenfalls noch immer.
- Ansonsten ist das keine Hexerei, wenn man nicht gerade zwei Linke hat. Gründliches Studium der Serviceanleitungen ist allerdings unbedingtes Muss, wenn man das erstmals angeht.